Thilo Reimers Rechtsanwalt, Dipl. Volkswirt, Würzburg

Gesprächsmitschnitte als Beweismittel?

In Zeiten modernster IT-Technologie verfügt so gut wie jedes Handy über eine Aufnahmefunktion, mit welcher Gesprächsmittschnitte ermöglicht sind. Die Frage ist nun, ob man Beteiligten empfehlen kann, Gespräche (in der Regel mit der Gegenseite und ohne deren Einverständnis) aufzuzeichnen.

Noch vor ein paar Jahren war die Antwort auf diese Frage denkbar einfach: um Gottes willen nein, denn man macht sich strafbar.

§ 201 StGB hat folgenden Wortlaut: Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt

  1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder

  2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt

  1. das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder

  2. das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt.

Die Tat nach Satz 1 Nr. 2 ist nur strafbar, wenn die öffentliche Mitteilung geeignet ist, berechtigte

...

(5) Die Tonträger und Abhörgeräte, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.

Die Unzulässigkeit des heimlichen Mitschneidens von (Telefon-)Gesprächen gilt prinzipiell auch für Besprechungen über geschäftliche Angelegenheiten. Eine meiner Mandantinnen musste das leidvoll erfahren als sie eine Sitzung einer Wohneigentümergemeinschaft (selbstredend ohne mich vorher gefragt zu haben) mitschnitt und das Gerät zu piepen anfing, als die Kassette zu Ende war. Nun gut, Das Zeitalter der Kassette ist vorbei und demgemäß wird auch ein piepen eher selten sein; Da leuchtet schon eher eine rote LED

Die Widerrechtlichkeit eines Eingriffs in das Recht zur Selbstbestimmung über das gesprochene Wort entfällt nicht schon durch das Interesse des Verletzers (also dessen der aufnimmt), die ungenehmigte Tonaufzeichnung in einem Rechtsstreit zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche zu verwenden, womit Unterlassungsansprüche des Abgehörten, mit welchem sich dieser gerichtlich gegen denjenigen, der mitgeschnitten hat, erfolgreich begründet werden können.

Aber die zunehmende Öffentlichmachung der eigenen Privatsphäre geht scheinbar auch an Gerichten nicht spurlos vorbei, denn vor kurzem stellte das Bundesarbeitsgericht in seiner (Entscheidung vom 20.6.2013, 2 AZR 546/12) u .a klar:

Die Zivilprozessordnung kennt für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein - ausdrückliches - prozessuales Verwendungs- bzw. Verwertungsverbot.

Aus § 286 ZPO iVm. Art. 103 Abs. 1 GG folgt im Gegenteil die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - Rn. 60, BVerfGE 106, 28; BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 37; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356).

Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots, das zugleich die Erhebung der angebotenen Beweise hindern soll, einer besonderen Legitimation in Gestalt einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - aaO; Musielak/Foerste ZPO 10. Aufl. § 284 Rn. 23; MünchKomm ZPO/Prütting 4. Aufl. § 284 Rn. 64).

Im gerichtlichen Verfahren tritt der Richter den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Er ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 mwN, BVerfGE 117, 202).

Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - aaO; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht gewährleistet nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trägt in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen des Einzelnen Rechnung (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378; BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 28).

Die gesetzlichen Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung im BDSG konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.

Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des BDSG nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift diese erlaubt. Fehlt es an der danach erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Dieser das deutsche Datenschutzrecht prägende Grundsatz ist in § 4 Abs. 1 BDSG kodifiziert

Dann wird allerdings folgendes klargestellt:

Sowohl die Gerichte für Arbeitssachen als auch die ordentlichen Gerichte sind befugt, Erkenntnisse zu verwerten, die sich eine Prozesspartei durch Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht verschafft hat, wenn eine Abwägung der beteiligten Belange ergibt, dass das Interesse an einer Verwertung der Beweise trotz der damit einhergehenden Rechtsverletzung das Interesse am Schutz der Daten überwiegt.

Das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, reichen dabei für sich betrachtet nicht aus, dem Verwertungsinteresse den Vorzug zu geben (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 29). Dafür bedarf es zusätzlicher Umstände. Sie können etwa darin liegen, dass sich der Beweisführer mangels anderer Erkenntnisquellen in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befindet (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 22; jeweils mwN).

Also dürfen Mitschnitte erfolgen, um eine solche Notwehrsituation beweisbar wiederzugeben.

Die besonderen Umstände müssen gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt ausweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - aaO).

Demzufolge ist die Antwort einfach: Wird man von demjenigen, mit dem man das Gespräch aufnimmt diskriminiert, beleidigt, bedroht oder genötigt, ist die Aufnahme im Regelfall verwertbar.

Wird man hingegen vom Gesprächspartner nur angegangen, liegt demnach noch keine Diskriminierung, Nötigung oder Beleidigung oder Bedrohung vor, kann eine gerichtliche Verwertung des Gesprächsmittschnittes nicht erfolgen, da dann die Aufnahme nicht durch eine notwehrähnliche Situation gerechtfertigt ist.

Da Gesprächsverlaufe und deren Inhalte im Regelfall nicht vorhersehbar sind, ist also Vorsicht beim Mitschnitt von Gesprächen geboten.

Sieht sich ein Betroffener aber in einer Notwehrsituation, weil ihm im Rahmen von Vieraugengesprächen wiederholt diskriminierende, beleidigende, drohende oder nötigende Verbalattacken drohen, ist der Mitschnitt dieser Gesprächsinhalte ein auch aus Sicht der Rechtsprechung probates Mittel Beweise zu schaffen, die den anderen in einem Rechtstreit überführen können.

Wegen der möglichen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen sollte man die Tatsache des Mitschnitts erst einmal für sich behalten. Auch dem Gegenüber nach erfolgreicher Aufnahme mit der Verwertung des Gesprächsmittschnittes zu drohen, empfiehlt sich nicht.

Man sollte im Gegenteil, den Verlauf eines Prozesses abwarten und sich vorbehalten zusätzliche Beweisanträge zu stellen. Schließlich, soweit sich die Gegenseite nicht wahrheitsgemäß im Rechtstreit einlässt, kann dies in eine spätere Anzeige wegen versuchten Prozessbetruges münden.

Zu mobbing und bossing. Meiden Sie Situationen, in denen Sie sich Verbalattacken ausgesetzt sehen. Es lohnt sich im Regelfall unschönen Gesprächen aus dem Weg zu gehen. Hilft alles nichts und nimmt die Unterhaltung einen diskriminierenden, beleidigenden, nötigenden oder gar bedrohlichen Charakter an, sollte man sich nicht scheuen, derartige Gespräche aufzunehmen. Hier ist allerdings nicht das subjektive Gefühl, sondern der objektive Tatbestand der Verletzungshandlung maßgeblich, ob die Rechtsprechung später von einer Notwehrsituation ausgeht, oder aber nicht. Das entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Wann welche Grenze überschritten ist, prüfe ich im Einzelfall gerne.