Thilo Reimers Rechtsanwalt, Dipl. Volkswirt, Würzburg
Cannabisnutzer darf sich auf Zeitungsartikel stützen (Verbotsirrtum zur THC-menge)
Zusammenfassung:
Vor dem Erwerb der Betäubungsmittel hatte sich der Angeklagte über das Internet über den Grenzwert der nichtgeringen Menge informiert und dabei die Information erhalten, dass erst bei einer Gesamtmenge von 100 Gramm Marihuana - bei guter Qualität - die Grenze zur nichtgeringen Menge überschritten wird. In der Folgezeit hatte der Angeklagte daher darauf geachtet, dass die von ihm besessene Betäubungsmittelgesamtmenge 100 Gramm nicht überschreitet. Bis zur Hausdurchsuchung war der Angeklagte davon überzeugt, dass das in seinem Besitz befindliche Rauschgift (86 Gramm) den Grenzwert zur nichtgeringen Menge nicht erreicht. Tatsächlich beinhaltete das Rauschgift mehr als 7,5 Gramm reines THC. Damit lag eine nichtgeringe Menge nach § 29a BtmG vor, mit der unangenehmen Folge von Strafe zwischen 1 und 10 Jahren.
Aufgrund der Internetlektüre wurde der Angeklagte nur so verurteilt, als ob er weniger als 7,5 Gramm THC besessen hätte.
Amtsgericht Bad Neustadt a. d. Saale
AZ: 2 Ls 8 Js 2937/10
Urteil
in dem Strafverfahren
XXXXXXXXXXXXXXX
Verteidiger: Rechtsanwalt Reimers Thilo, Rosengasse 8, 97070 Würzburg
wegen unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln u.a.
aufgrund der Hauptverhandlung vom 12.05.2011, an der teilgenommen haben:
Direktor des Amtsgerichts Ohlenschlager als Vorsitzender des Schöffengerichts
Silvia Finger, Bankkauffrau
Rita Leeb, Verwaltungsfachangestellte
Staatsanwalt als Gruppenleiter Bachmann als Vertreter der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwalt Thilo Reimers als Verteidiger
Justizhauptsekretärin Loidl als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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Der Angeklagte XXXXXXXXXXX ist schuldig des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von vier verbotenen Waffen.
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Er wird deshalb zu einer
Freiheitsstrafe von 7 Monaten
verurteilt. Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
- Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Angewendete Vorschriften: §§1 Abs.1, 3 Abs. 1, 29 Abs. 1 Nr. 3BtMG, § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.2 und Nr. 1.4.1 zum WaffG, § 52 StGB
Gründe:
I.
- Zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten hat das Gericht folgende Feststellungen in der Hauptverhandlung getroffen:
Der am .................... in ..................... geborene Angeklagte wuchs zusammen mit seiner Schwester bei seinen Eltern, dem Binnenschiffer und Schleifer ..................... und der Angestellten beim Finanzamt ...................... auf.
Nachdem der Angeklagte regelgerecht den Kindergarten, die Grundschule und die Hauptschule besucht hatte, schloss er die Hauptschule im Jahr 2003 mit dem Qualifizierten Hauptschulabschluss ab. Anschließend begann er im September 2003 seine Ausbildung als Zerspannungsmechaniker bei der Firma .................. Im Februar 2007 legte er die Gesellenprüfung ab und wurde anschließend von der Firma in ein festes Anstellungsverhältnis übernommen. Dort arbeitete der Angeklagte bis zum Juli 2008 als Maschineneinsteller. Am 13.07.2008 verunglückte der Angeklagte mit seinem Motorrad ohne Fremdbeteiligung und zog sich schwerste Verletzungen in Form von Mehrfachbrüchen an den Beinen, Ellenbogen und der Schulter zu. Wegen der schweren Verletzungen wurde der Angeklagte zunächst etwa 4 Wochen in ein künstliches Koma versetzt und bisher über vierzigmal operiert. Erst in November 2008 wurde der Angeklagte aus der Klinik entlassen. In der Folgezeit wechselten sich Reha-Maßnahmen und neue Klinikaufenthalte mehrfach ab. Noch heute ist der Angeklagte in medizinischer Behandlung und nicht vollständig wieder hergestellt.
Im Zeitraum von November 2008 bis März 2010 litt der Angeklagte unter sehr starken - unfallbedingten - Schmerzen, die er nur durch die Einnahme starker Schmerzmittel einigermaßen mildern konnte. Zudem litt der Angeklagte zunehmend unter den Nebenfolgen der verabreichten Arzneimittel.
Seit Anfang Januar 2010 begann der Angeklagte regelmäßig - zwei bis dreimal am Tag - Marihuana in einer Wasserpfeife zu rauchen. Die verschaffte dem Angeklagten die erwünschte - zusätzliche - Schmerzdämpfung. Symptome einer Drogenabhängigkeit haben sich bei dem Angeklagten zu keiner Zeit eingestellt. Der Angeklagte hat nach der polizeilichen Hausdurchsuchung am 04.03.2010 den Drogenkonsum ohne Entzugssymptome eingestellt.
Set seinem Unfall am 13.07.2008 ist der Angeklagte arbeitsunfähig krankgeschrieben. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er seitdem durch Zahlungen aus einer Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung in Höhe von 1.500,- Euro im Monat. Der Angeklagte lebt nach wie vor in der Erdgeschosswohnung seines Elternhauses. Für Miete und Kost zahlt der Angeklagte monatlich 100,- Euro an seine Eltern.
In der Berufsoberschule Bad Neustadt a. d. Saale hat sich der Angeklagte zum 17.09.2011 angemeldet, um sein Fachabitur zu machen. Darüber hinaus wurde ihm von der Firma eine Wiedereingliederungsmaßnahme angeboten, um ihm eine Rückkehr zu seiner früheren Arbeitsstelle - ggfs. in einem anderen Tätigkeitsfeld - zu ermöglichen.
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Der Auszug aus dem Bundeszentralregister des Angeklagten weist bisher keine Eintragung aus.
II.
Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung steht zur Überzeugung des Gerichts folgender Sachverhalt zweifelsfrei fest:
Am 03.03.2011 um 10.00 Uhr fand in dem Anwesen .................. aufgrund eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses, der im Ermittlungsverfahren gegen den Vater des Angeklagten, dem anderweitig Verfolgten ........., erlassen worden war, eine Hausdurchsuchung statt. Beim Betreten des Anwesens stellten die kriminalpolizeilichen Ermittlungsbeamten einen auffallend starken Marihuana-Geruch im Erdgeschoss fest. Die Erdgeschosswohnung und der Keller wurden vorwiegend vom Angeklagten bewohnt, aber daneben auch von seinem Vater und seiner Schwester benutzt.
Nachdem der Angeklagte, der ca. eine dreiviertel Stunde vor der Hausdurchsuchung Marihuana in der Wohnung im Erdgeschoss konsumiert hatte, auf den Rauschgiftgeruch hingewiesen wurde, räumte der Angeklagte freimütig den Besitz größerer Mengen Marihuana ein und gestattete den Polizeibeamten bereitwillig eine Hausdurchsuchung. Hierbei wurde das Auffinden der Betäubungsmittel durch die eigenen Angaben des Angeklagten erheblich erleichtert.
Im Rahmen der Hausdurchsuchung wurden in de Erdgeschosswohnung des Angeklagten, den Kellerräumen und der Garage insgesamt 86,27 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 9,1 Gramm THC sowie vier Schlagringe ohne die für den Besitz erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis aufgefunden und von der Polizei sichergestellt.
Bei den vier Schlagringen handelte es sich - wie der Angeklagte wusste - um verbotene Waffen, die der Angeklagte vor Jahren erworben hatte, um sie in seiner Vitrine in seiner Wohnung auszustellen.
Das Marihuana hatte der Angeklagte ausschließlich für den Eigenkonsum zu bisher nicht ermittelten Zeitpunkten in bisher unbekannten Teilmengen von einem ihm unbekannten Drogendealer in Frankfurt am Main im Rahmen des Straßenverkaufs für 9,- Euro das Gramm erworben. Entsprechend seiner vorgefassten Absicht konsumierte der Angeklagte in der Folgezeit seit Januar 2010 das Marihuana zwei bis dreimal täglich in seiner Wasserpfeife, um die unfallbedingten Schmerzen zu lindern und seine Langeweile und Niedergeschlagenheit zu bekämpfen.
Vor dem Erwerb der Betäubungsmittel hatte sich der Angeklagte über das Internet über den Grenzwert der nichtgeringen Menge informiert und dabei die Information erhalten, dass erst bei einer Gesamtmenge von 100 Gramm Marihuana - bei guter Qualität - die Grenze zur nichtgeringen Menge überschritten wird. In der Folgezeit hatte der Angeklagte daher - nicht widerlegbar - darauf geachtet, dass die von ihm besessene Betäubungsmittelgesamtmenge 100 Gramm nicht überschreitet. Bis zur Hausdurchsuchung war der Angeklagte davon überzeugt, dass das in seinem Besitz befindliche Rauschgift den Grenzwert zur nichtgeringen Menge nicht erreicht.
III.
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Die Feststellung zur Person des Angeklagten, zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie seinem straffreien Vorleben beruhen auf den eigenen Angaben des Angeklagten und der verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister.
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Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den eigenen Einlassungen des Angeklagten, der ein umfassendes Geständnis abgelegt und den Tatvorwurf so eingeräumt hat, wie er vom Gericht als Sachverhalt festgestellt wurde, auf der unbeeidigten Aussage des in der Hauptverhandlung gehörten Kriminalbeamten und dem in der Hauptverhandlung verlesenen Betäubungsmittegutachten des Sachverständigen Dr. Wende sowie den in Augenschein genommenen Lichtbildern.
Soweit der vollgeständige Angeklagte in der Hauptverhandlung vorgetragen hat, dass er aufgrund seiner Informationen über das Internet davon überzeugt gewesen sei, dass die erworbene und in seinem Besitz befindliche Gesamtmenge an Marihuana, die nichtgeringe Menge von 7,5 Gramm THC nicht erreicht hat, ist dies mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nicht zu widerlegen.
Bei dem Besitz von Betäubungsmitteln führt die falsche Qualitäts- und Mengeneinschätzung des Täters zu einem Tatbestandsirrtum über die Voraussetzungen der nichtgeringen Menge, der gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB den Vorsatz des Täters bezüglich der Überschreitung der nichtgeringen Menge ausschließt. In diesem Fall kann der Täter nur nach dem Grundtatbestand ( § 29 BtMG ) bestraft werden, da ihm die stragerhöhenden Umstände nicht zugerechnet werden können und § 29 a BtMG fahrlässig nicht begehbar ist.
Bei seiner Einlassung zur Sache hat der Angeklagte angegeben, dass er bei seinem letzten Drogeneinkauf in Frankfurt am Main bemerkt habe, dass die Qualität besser gewesen ist als die bei den letzten Käufen. Somit wusste der Angeklagte, dass die Qualität des Marihuanas durchaus schwankt. Nach Auffassung des Gerichts kann hieraus jedoch nicht der sichere Schluss gezogen werden, dass der Angeklagte zumindest damit gerechnet hat, dass sein Marihuanabesitz die nicht geringe Menge tatsächlich überschritten und er dies billigend in Kauf genommen hat. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass es sich bei dem Angeklagten um keinen erfahrenen Drogenkonsumenten gehandelt und er sich völlig unbedarft und ohne hinreichende Kenntnisse über die Qualitätskriterien bei Marihuana das Betäubungsmittel verschafft hat. Zudem werden die entlastenden Behauptungen des Angeklagten auch dadurch gestützt, dass er dem Gericht eine Veröffentlichung vorgelegt hat, die seine falschen Annahmen und Schlussfolgerungen bestätigt. Nach dem vorgelegten Artikel ist der Wert von 7,5 Gramm THC und damit die nichtgeringe Menge erst bei einer Rauschgiftgesamtmenge von ca. 100 Gramm erreicht.
Da die Hauptverhandlung nicht klären kann, wann und wo der Angeklagte genau welche Mengen Rauschgift erworben hat, war für das Gericht auch anhand der Angaben zum täglichen Konsum des Marihuanas keine hinreichend sichere Rückrechnung möglich, die die notwendige Feststellung zu der tatsächlichen Gesamtmenge des Marihuanas zum Zeitpunkt des letzten Rauschgifteinkaufs zugelassen hätte.
Nach alledem war unter Anwendung des Zweifelsatzes zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass er tatsächlich bei dem Besitz der Gesamtmenge Marihuana irrtümlich davon ausgegangen ist, dass das besessene Marihuana noch nicht die nichtgeringe Menge in Höhe von 7,5 Gramm THC erreicht hat. Eine Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nichtgeringer Menge kam daher nicht in Betracht.
Soweit die Verteidigung in der Hauptverhandlung vorgetragen hat, dass die Sicherstellung der Betäubungsmittel anlässlich der Hausdurchsuchung am 03.03.2010 rechtswidrig gewesen sei, weil der Durchsuchungsbeschluss gegen den Vater des Angeklagten erlassen und nicht von einem Richter unterschrieben worden war, so dass ein Beweisverwertungsverbot bestehe, erkennt die Verteidigung das Ergebnis der Beweisaufnahme.
Der Angeklagte hat bei seiner Einlassung zur Sache angegeben, dass er von der Polizei auf den Rauschgiftgeruch in seiner Wohnung angesprochen worden sei und sein Vater die Tür zu der Wohnung des Angeklagten freiwillig aufgeschlossen habe. Darüber hinaus gab der vollumfänglich geständige Angeklagte an, dass er mit der Polizei zusammengearbeitet und freiwillig der Hausdurchsuchung und der Sicherstellung der Betäubungsmittel zugestimmt habe. Somit erfolgte die polizeiliche Hausdurchsuchung nach Überzeugung des Gerichts zweifelsfrei nach wirksamer Einwilligung des Angeklagten als Wohnungsnutzer. Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass aufgrund des starken Marihuanageruchs und der Anwesenheit des Angeklagten und des Vaters in der Wohnung die naheliegende Gefahr bestand, dass ohne sofortiges Einschreiten und unverzügliche Sicherstellen des Rauschgiftes die Beweismittel von dem Angeklagten oder einem Familienmitglied unwiederbringlich vernichtet werden. Somit waren die Voraussetzungen für eine Durchsuchung wegen Gefahr in Verzug ebenfalls erfüllt, worauf der als Zeuge gehörte Kriminalbeamte Klaus Zang zutreffend hingewiesen hat. In Übereinstimmung mit dem Angeklagten bestätigte der Zeuge Zang auch, dass die Durchsuchung der vom Angeklagten genutzten oder mitbenutzten Räumen und der Garage nach seiner ausdrücklichen Einwilligung durchgeführt und in den Wohnräumen des Angeklagten, den Kellerräumen und der Garage tatsächlich insgesamt 86,27 Gramm Marihuana sichergestellt wurde.
Aufgrund des mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung verlesenen Betäubungsmittelgutachtens des Sachverständigen Dr. Wende steht zweifelsfrei fest, dass das kriminalpolizeilich in Wohnung sichergestellte Marihuana einen THC-Gehalt von 9,1 Gramm hatte und somit die Grenze zur nichtgeringen Menge in Höhe von 7,5 Gramm überschritten war.
IV.
Der Angeklagte hat sich aufgrund des festgestellten Sachverhalts schuldig gemacht des vorsätzlich unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubten Besitz von vier verbotenen Waffen gemäß §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 29 Abs. 1 Nr. 3 Betäubungsmittelgesetz, § 52 Abs. 3 Nr. 1 Waffengesetz in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.2 und Nr. 1.4.1 Waffengesetz, § 52 StGB.
Soweit dem Angeklagten zusätzlich in der Anklageschrift der unerlaubte Besitz einer verbotenen Waffe, nämlich eines Springmessers, zur Last gelegt wurde, hat das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung von der Verfolgung insoweit gem. § 154 a Abs. 2 StPO abgesehen.
V.
Bei der Strafzumessung hat sich das Gericht von folgenden Strafzumessungserwägungen leiten lassen:
Zu Gunsten des Angeklagten sprachen das freimütige, von Schuldeinsicht und Reue getragene Geständnis des Angeklagten und die erhebliche Aufklärungshilfe, die der Angeklagte nicht nur bei der polizeilichen Hausdurchsuchung, sondern auch in der Hauptverhandlung bereitwillig geleistet hat. So hat der Angeklagte in die Durchsuchung seiner Wohnung, der Kellerräume und der Garage eingewilligt und damit das Auffinden und die Sicherstellung des Marihuanas erleichtert. Auch in der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte offen zu den Tatvorwürfen geäußert und dabei auch weitere - belastende - Angaben gemacht. Strafmildernd war zudem zu berücksichtigen, dass der Angeklagte nicht vorbestraft, sozial integriert und um seine weitere Ausbildung und Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess bemüht ist. Günstig für den Angeklagten wirkte sich weiterhin aus, dass das Betäubungsmittel von der Polizei sichergestellt werden konnte und der Angeklagte sein Einverständnis mit der formlosen Einziehung der Betäubungsmittel und der Rauschgiftutensilien erklärt hat. Strafermäßigend wertete das Gericht auch den Umstand, dass der Angeklagte die in seinem Besitz befindlichen Betäubungsmittel auch zur Schmerzbekämpfung eingesetz hat, wobei sich der Angeklagte jedoch stets bewusst war, dass dieses Handeln illegal und strafbar ist. Angesichts der schweren Folgen des Motorradunfalls vom 13.07.2008 und der über 40 Operationen, denen sich der Angeklagte unterziehen musste, ist die Behauptung des Angeklagten, dass er das Rauschgift auch zur Schmerzdämpfung eingesetzt hat, für das Gericht plausibel und nachvollziehbar.
Zu Lasten des Angeklagten würdigt das Gericht den Umstand, dass der Angeklagte aufgrund des Sonderwissens, dass er sich vor der Tatbegehung verschafft hatte, genau wusste, dass die sichergestellte große Betäubungsmittelmenge in Höhe von 86,57 Gramm nahe bei dem Grenzwert zur nichtgeringen Menge lag, da auch nach der eigenen - fehlerhaften - Vorstellung des Angeklagten der Grenzwert zur nichtgeringen Menge jedenfalls bei einer Rauschgiftrohmenge von 100 Gramm erreicht war. Somit wusste der Angeklagte ganz genau, dass er sich mit der in seinem Besitz befindlichen Rauschgiftmenge - jedenfalls - im Grenzbereich zum Verbrechenstatbestand bewegt hat. Tatsächlich hatte die große Menge an Marihuana einen THC Gehalt, der die nichtgeringe Menge deutlich überschritten hatte. Strafschärfend war ferner zu würdigen, dass der Angeklagte tateinheitlich vier verbotene Waffen, nämlich vier Schlagringe, seit mehreren Jahren - so die Einlassung des Angeklagten - im Besitz hatte.
Unter Berücksichtigung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte hält das Gericht für die festgestellte Straftat unter Beachtung des Strafrahmens gemäß § 29 BtMG (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren) eine
Freiheitsstrafe von 7 Monaten
für tat- und schuldangemessen.
Angesichts der großen Rauschgiftmenge und des Besitzes von vier verbotenen Waffen über einen langen Zeitraum kam zur Einwirkung auf den Angeklagten die Verhängung einer bloßen Geldstrafe nach Auffassung des Gerichts nicht mehr in Betracht.
Die verhängte Freiheitsstrafe konnte dem Angeklagten gemäß § 56 StGB auch zur Bewährung ausgesetzt werden, da nach Überzeugung des Gerichts zu erwarten ist, dass sich der Angeklagte die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und in Zukunft keine neue Straftat mehr begehen wird.
Der Angeklagte ist vor der Tatbegehung noch nicht verurteilt worden. Das Gericht hat daher keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte nunmehr durch die kriminalolizeilichen Ermittlungen, die durchgeführte Hausdurchsuchung, das Gerichtsverfahren und die drohende Haftstrafe im Falle der Nichtbewährung nachhaltig beeindruckt ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Tat durch die schweren Folgen des Motorradunfalls, die Destabilisierung der Lebenssituation des Angeklagten und der aufkommenden Langeweile und Unzufriedenheit über seine Lebenssituation begünstigt wurde. Aktuell ist eine positive Veränderung in der Lebenssituation des Angeklagten festzustellen. Der Angeklagte hat sich nach der Tatentdeckung von seinem Betäubungsmittelkonsum gelöst und sich um die Fortsetzung seiner Ausbildung und die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess gekümmert. Zudem wird der Angeklagte in seinen Bemühungen von seinen Eltern unterstützt.
Unter Berücksichtigung dieser geänderten Lebensumstände und des guten Eindrucks, den der Angeklagte in der Hauptverhandlung hinterlassen hat, hat das Gericht die begründete Erwartung, dass bereits der im Fall der Nichtbewährung drohende Strafvollzug den Angeklagten vor weiteren künftigen Betäubungsmittelstraftaten abhalten wird, so dass der Angeklagte auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs zu einer sozial geordneten, straffreien Lebensweise zurückfinden wird.
Zudem gebietet die Verteidigung der Rechtsordnung im vorliegenden Fall nicht die Vollstreckung der Freiheitsstrafe bei dem Angeklagten. Aufgrund der bereits genannten Gesamtumstände, insbesondere des umfassenden Geständnisses, das von Reue und Schuldeinsicht getragen war, der schwierigen, unfallbedingten Lebenssituation, in der sich der Angeklagte zu der Tatzeit befand und der nunmehr geänderten Lebensumstände erscheint eine Strafaussetzung zur Bewährung auch für das allgemeine Rechtsempfinden verständlich und nachvollziehbar.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464,465 Abs 1 StPO.
Ohlenschlager Direktor des Amtsgerichts
Es gibt aber auch vernünftige Gerichte, siehe meine Besprechung zur Entscheidung
Tel: 0931 - 40 51 58