Thilo Reimers Rechtsanwalt, Dipl. Volkswirt, Würzburg

Cannabis und der Gerichtsbezirk Würzburg

Seit Aufkommen des sog. "Kiffens" in den 70ern war der Landgerichtsbezirk Würzburg ein Bollwerk gegen "falsche Liberalität" in Drogensachen. Jeglicher Versuch diesen harten Kurs aufzuweichen erschien als sinnloses Anrennen gegen Betonmauern (siehe hier: „Internetuser und Cannabisuser“).

Nun hat überraschend das Amtsgericht Würzburg einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Haussuchung wegen angeblichen "Kiffens" abgelehnt.

Natürlich war es auch hier so, dass - wie inzwischen üblich - der Antrag auf Beschlagnahme des Computers, der Handys, eines möglicherweise vorhandenen i-pads, etc. ging und daneben dann auch noch ein bisschen nach Cannabis geschaut werden sollte. Regelmäßig wird praktisch
bei fast ausnahmslos allen Delikten inzwischen Computer + Smartphone beschlagnahmt, weil sich hieraus möglicherweise andere Erkenntnisse ergeben, auch wenn - wie hier - diese offensichtlich nichts mit der eigentlich vorgeworfenen Tat zu tun haben (siehe auch auf dieser Webseite: "Was passiert bei einer Durchsuchung? Kann ich mich gegen eine Durchsuchung wehren?").

Die Begründung des Amtsgerichts Würzburg zur Ablehnung ist meiner Ansicht nach lesenswert:

Beschluss des Amtsgerichts Würzburg (AZ: 1 Gs 2072/16 jug.):

Das Amtsgericht Würzburg erlässt durch den Richter am Amtsgericht Kurzawaski am 30.06.2016 folgenden

                Beschluss:

"Der Durchsuchungsantrag der Staatsanwaltschaft Würzburg vom 13.06.2016 bezüglich d. Beschuldigten ............. wird abgelehnt.

Der Antrag war vorliegend abzulehnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.10.2013, AZ: 2 BvR 389/13, StraFO 2014, 67 ff.).

Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Damit wird dem Einzelnen ein elementarer Lebensraum zur freien Entfaltung der Persönlichkeit gewährleistet. In seinen Wohnräumen hat er das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein. Dem erheblichen Eigriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Beschuldigten entspricht ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zu den Anforderungen an diese Verhältnismäßigkeit führte das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 11.02.2015 (AZ: 2BvR 1694/14, wistra 2015, 184 ff. zuletzt aus: Dem erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen entspricht zudem ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfGE 20, 162, 96, 44, 115, 166). Die Durchsuchung muss vor allem in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen (BVerfGE 20, 162, 59, 95, 96, 44; 115, 166). Hierbei ist auch die Bedeutung des potentiellen Beweismittels für das Strafverfahren zu bewerten (BVerfGE 115, 166). ... Auch die Beschlagnahme muss angesichts des erheblichen Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (BVerfGE 20, 162). Dem Gewicht des Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es außerdem, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält und damit eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz vorsieht (BVerfGE 20, 162, 57, 346; 76, 83, 103, 142). Die Einschaltung des Richters soll insbesondere dafür sorgen, dass die Interessen des Betroffenen angemessen berücksichtigt werden (BVerfGE 103, 142). ... Der Richter darf die Wohnungsdurchsuchung daher nur anordnen, wenn er sich aufgrund einer eigenverantwortlichen Prüfung der Ermittlungen davon überzeugt hat, dass die Maßnahme in vollem Umfang verhältnismäßig ist. ... Gemessen an diesen verfassungsgerichtlichen Maßstäben verkennt der Durchsuchungsantrag der Staatsanwaltschaft die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts des Beschuldigten auf Unverletzlichkeit seiner Wohnung... Es fehlt hier an einer Auseinandersetzung mit der Erforderlichkeit und Angemessenheit der Durchsuchungsanordnung in dem angeordneten Umfang. Der Verdacht des Erwerbs und Besitzes von Cannabis zum - auch gemeinschaftlichen - Eigengebrauch rechtfertigt nicht ohne weiteres einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechtssphäre der Beschuldigten, wie in der Hausdurchsuchung dargestellt (LG Freiburg StV 2000, 14). ... Bei einem derartigen Tatvorwurf wäre eine Durchsuchung dann aber daher unverhältnismäßig (LG Kaiserslautern StV 2007, 71, LG Freiburg StV 2000, 14). Die Durchsuchung einer Wohnung allein wegen des vorherigen Besitzes geringer Cannabismengen ist unverhältnismäßig, wenn weitere konkrete Hinweise auf größere Mengen von Betäubungsmitteln nicht vorliegen...".

Auch gegen vier weitere Jugendliche wurde der Erlass einer Wohnungsdurchsuchung abgelehnt. Allein gegen einen volljährigen Verdächtigen wurde die Wohnungsdurchsuchung gestattet, wobei ich ganz persönlich der Meinung bin, dass daran die Eltern des Verdächtigen nicht ganz unschuldig waren. Wer seinen Sohn Jason, Kevin oder gar Tyron nennt, setzt damit eyecatcher für Strafverfolgungsbehörden.

Interessant in dem Zusammenhang auch eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der eine entsprechende anders lautende Entscheidung des Regensburgers Verwaltungsgerichts aufgehoben hat. Danach muss bei einmaligem Cannabiskonsum nicht zwingend die Fahrerlaubnis entzogen werden (AZ: 11 Cs 16.1467 vom 19.09.16).

Rechtsanwalt Reimers