Thilo Reimers Rechtsanwalt, Dipl. Volkswirt, Würzburg
Komasäufer
Beim Aufräumen kam mir eine Entscheidung unter, die so heute nicht mehr denkbar wäre.
Mein Mandant war ein typischer Komatrinker, früher auch „Quartalssäufer“ genannt. Zu nicht vorhersehbaren Anlässen betrank er sich so sehr, dass regelmäßig der Krankenwagen kam, da man Angst hatte, dass seine Atmung länger als 1 min. aussetzt. Bei einer dieser Anlässe wurde er am Bett festgeschnallt, schlicht um zu verhindern, dass er aus dem Bett fällt. Die gemessenen Promillewerte lagen so um die 2,3 Promille.
Nachdem die Krankenschwester den Mandanten losband, zückte er eine Pistole, die vorher unbemerkt geblieben war. Mit dieser Pistole bedrohte er die herbei eilenden Krankenschwestern und begab sich in „Freiheit“.
Deshalb wurde er erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Der junge Mann war 11-fach vorbestraft, dies wegen typischer Jugendsünden, wie Fahren ohne Fahrerlaubnis, Mofafahren ohne Versicherungsschutz u. ä. In der Berufung geschah das nicht für Möglich gehaltene: Mein Mandant erhielt zum dritten Mal die Möglichkeit der Bewährung.
Ein solches Urteil wäre in heutigen Zeiten völlig undenkbar. Zum einen würde man wegen der hohen Promillewerte und den damit verbundenen Straftaten an einen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik denken. Zum anderen würde das Hantieren mit einer Waffe automatisch zu einer langjährigen Freiheitsstrafe führen.
Aber dieser Fall zeigt, warum das Urteil des Berufungsrichters trotzdem richtig war. Der Mandant hatte damals geheiratet und wurde Vater. Sein eigener Vater verstarb kurz nach dem Urteil. Obwohl damit ein Jobverlust ( er arbeitete in der Firma seines Vaters ) verbunden war, ist der Mandant seit damals nicht mehr straffällig geworden und führt ein bürgerliches Leben.
Meiner Ansicht nach zeigt dies, dass sowohl was Waffen anbelangt, als auch was Alkohol anbelangt, derzeit eher Hysterie ( auch der Medien ) als angemessene Nachdenklichkeit herrscht.
AZ: Staatsanwaltschaft Bamberg 106 Js 3025/99.
Rechtsanwalt Reimers
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