Thilo Reimers Rechtsanwalt, Dipl. Volkswirt, Würzburg
Verkehrsverstoß anders betrachtet
Niemand will einen Punkt in Flensburg haben, erst recht nicht nach der Reform des Punkteregisters.
Meine Mandantin, eine junge Ärztin auf dem Lande mit Ausbildung in Deutschland, aber ungarischen Wurzeln, hatte einen Unfall verursacht. Umstritten war, ob es sich um Blitzeis handelte oder um eine schlickige Fahrbahn. Die zivilrechtliche Sache war bereits erledigt. Die Polizisten hatten sich auch an meiner Mandantin abgearbeitet und ihr erklärt, dass sie auf keinem Fall mit einem ungarischen Nummernschild herumfahren könne. Außerdem müsse sie ihren ungarischen Führerschein ummelden.
So ins Bockshorn gejagt, kassierte sie dann auch noch einen Punkt in Flensburg, gegen den sie sich aber nach einiger Überlegung zur Wehr setzte. Und deshalb sitzen wir im Gericht.
Ganz anders als die Polizei reagierte die - vernünftige - Richterin, die erkannte, dass eine junge Ärztin auf dem Lande ein Segen ist. Der Quatsch mit dem ausländischen Führerschein und dem ausländischen Kennzeichen wurde nicht weiter thematisiert und nach kurzer Verhandlung der Punkt in Flensburg kassiert. Das alles unter Einhaltung der Formalien einer mündlichen Verhandlung und in kürzester Zeit.
Natürlich wird jeder aufschreien, der kein Arzt ist und nur mit größten Mühen den Punkt wegbekommen hätte. Auf der anderen Seite: Ärzte auf dem Lande sind ein rares Gut und ohne Auto nur noch halb so wertvoll. Sozusagen die pragmatische Lösung.
Rechtsanwalt Reimers