Thilo Reimers Rechtsanwalt, Dipl. Volkswirt, Würzburg
Ende des fliegenden Gerichtsstands in Abmahnsachen? (siehe Kommentar)
Das Gesetz legt den Gerichtsort fest, an dem die Klage eingereicht werden muss. Eine freie Wahl des Ortes gibt es nur in wenigen Ausnahmefällen. Bei einer unerlaubten Handlung ist Gerichtsstand dort, wo die unerlaubte Handlung begangen wurde.
Mit dieser Begründung machen nun Debcon, Waldorf Frommer, Kornmeier & Partner, Rasch Rechtsanwälte, etc., also die Anwälte, die für Musik- und Filmindustrie Abmahnungen schreiben, überall in der Republik Streitigkeiten anhängig. Die Begründung ist: Die unerlaubte Handlung geschah irgendwo im Internet, also auch in Buxtehude oder Dingolfing. Hintergrund ist schlicht, man sucht sich ein wohlmeinendes Gericht, welches für Film- und Musikindustrie entscheidet oder: Die Parteien sollen möglichst weit fahren, um den Aufwand für sie zu erhöhen.
Es gab vereinzelte Rechtssprechung, die da nicht mitgemacht hat. Jetzt hat endlich das Amtsgericht Frankfurt diese Praxis beschränkt:
Entscheidung vom 29.04.2013, AZ: 31 C 16/2013. Das Gericht weist darauf hin, dass die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt am Main nicht ersichtlich ist.
Der Beklagte hat seinen allgemeinen Gerichtsstand nach § 12 ZPO nicht im Bezirk des Amtsgerichts Frankfurt. Einzig in Betracht kommende Norm, die eine Zuständigkeit begründen könnte ist § 32 ZPO ( unerlaubte Handlung ). Das Gericht folgt nicht der Auffassung, wonach alleine eine Abrufbarkeit eine örtliche Zuständigkeit nach § 32 ZPO begründet. Dies widerspricht dem Bild des gesetzlichen Richters, Artikel 101, Abs. 1, S. 2 GG. Denn das Willkürverbot und das Gebot der Einhaltung des gesetzlichen Richters gebietet, dass keine willkürliche Gerichtsstandwahl erfolgt, sondern ein örtlicher Gerichtsstand des Begehungsorts der unerlaubten Handlung nur dort gegeben sein kann, wo sich der behauptete Rechtsverstoß in dem konkreten Verhältnis der Prozessparteien tatsächlich ausgewirkt hat ( OLG Celle, AZ: 4 AR 81/02, LG Potsdam, MMR 2001, S. 833, LG Bremen ZUM 2001, S. 257 ).
Damit ergibt sich eine Zuständigkeit gem. § 32 ZPO ( nur ) an den Orten, in denen sich die behauptete unerlaubte Handlung im konkreten Verhältnis der Prozessparteien tatsächlich ausgewirkt hat, mithin zum einen am Wohnort/Geschäftssitz des Beklagten, weil davon auszugehen ist, dass hier die angeblich urheberrechtswidrige Angebote in das Internet eingestellt worden ist; zum anderen aber auch am Wohnort des Klägers, da er dort das Angebot des Beklagten aus dem Internet abgerufen und sich demgemäß auch dort in seinem Urheberrecht verletzt gesehen hat ( vgl. OLG Celle a.a.O ). Die Klägerin hat ihren Sitz in Berlin, der Klägervertreter den Sitz in Hamburg, der Beklagte hat seinen Wohnsitz in Köln.
Die Wahl des Amtsgerichts Frankfurt am Main als zuständiges Gericht ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.
Dies könnte das Ende des sog. „fliegenden Gerichtsstandes“ in Abmahnsachen sein. Ein erster Schritt zur Eindämmung der Klageflut von Waldorf Frommer & Co !
Rechtsanwalt Reimers
Anmerkung:
Inzwischen gibt es § 104a UrhG. Man soll es kaum glauben. Der Gesetzgeber hat nach langer Kritik reagiert und für alle Arten von Filesharingverfahren - endlich - eine örtliche Zuständigkeit geschaffen. Diese kann nicht mehr durch den Rechteinhaber frei gewählt werden; der Wohnsitz des mutmaßlichen Tauschbörsenbenutzers - also sein Wohnsitzgericht - ist maßgeblich für den Gerichtsstand.
Dagegen haben sich natürlich Filesharing-Kanzleien gewehrt, die gerne nach wie vor ihr "Lieblingsgericht" hätten. Mit dem Hinweis auf eine angebliche Gewerblichkeit wurde deshalb versucht, die Bestimmung zu umgehen, weil dann der Gerichtsstand frei wählbar wäre. Bisher hält aber die Rechtssprechung und verweist die Abmahnanwälte in ihre Schranken. So jetzt auch das erste Obergericht, das OLG Hamburg, AZ: 5 W 121/13.
Dank
Thilo Reimers